Türkeistämmige
Türkeistämmige sind die größte Gruppe von Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland. In den letzten Jahren sind wieder mehr Menschen aus der Türkei zugewandert. Aktuell ist die Türkei unter den Top 3-Herkunftsländern bei Asylanträgen.
Wie viele Menschen haben einen türkischen Migrationshintergrund?
Laut Mikrozensus lebten 2024 in Deutschland rund 3 Millionen Menschen mit Migrationsbezügen zur Türkei. Damit stellen sie die größte Gruppe von Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland.Quelle
Seit dem Mikrozensus 2021 erhebt das Statistische Bundesamt auch Zahlen zu "Eingewanderten und ihren direkten Nachkommen" - also zu Personen, die selbst eingewandert sind oder von denen beide Eltern eingewandert sind. Demnach lebten 2024 in Deutschland 2,6 Millionen Menschen mit Einwanderungsgeschichte aus der Türkei, 1,4 Millionen sind selbst eingewandert.Quelle
Laut Mikrozensus hatten 2024 von etwa 3 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund mit Türkei-Bezug 1,6 Millionen einen deutschen Pass. Etwa 1,4 Millionen Menschen hatten nur den türkischen Pass.Quelle
Doppelstaatler: Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes hatten rund 338.000 Personen sowohl die türkische als auch die deutsche Staatsangehörigkeit. Die Zahlen, die auf einer Selbstauskunft der Befragten beruhen, dürften zu niedrig sein. Das liegt unter anderem daran, dass die Befragten ihre zweite Staatsangehörigkeit nicht immer angeben.Quelle
Migration aus der Türkei nach Deutschland: Asyl und Familiennachzug
Nach einem kurzfristigen Rückgang im "Covid-Jahr" 2020 ist die Zahl der Zuzüge aus der Türkei wieder gestiegen, mit einem Höhepunkt 2023. 2024 sind laut Statistischem Bundesamt rund 79.000 türkische Staatsbürger*innen nach Deutschland gezogen, etwa 43.000 haben Deutschland verlassen.Quelle
Asylanträge türkischer Staatsbürger
Seit 2022 gehört die Türkei zu den Top 3-Herkunftsländern bei Asylanträgen. Im ersten Quartal 2025 haben 4.398 Personen aus der Türkei einen Asylantrag gestellt. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ist die Zahl gesunken. 2024 stellten insgesamt rund 31.000 türkische Staatsangehörige einen Asylantrag, darunter waren knapp 29.200 Erstanträge. 2023 waren es insgesamt über 61.000 Anträge. Ein Großteil der Antragsteller waren in den letzten Jahren Kurd*innen – 2024 kamen 73 Prozent der Erstanträge aus der Türkei von Kurd*innen.Quelle
Gründe für den Anstieg der Asylanträge sind die politischen Entwicklungen seit dem gescheiterten Putschversuch 2016 und der folgenden politischen Verfolgung verschiedener Gruppen. Hinzu kommt eine wirtschaftliche Krise mit hoher Inflation. Es sind aber nur wenige Asylanträge von Personen aus der Türkei erfolgreich: 2024 lag die bereinigte Schutzquote bei 13 Prozent.Quelle
Mehr Familien- als Erwerbsmigration
Besonders häufig kommen Personen aus der Türkei nach Deutschland, die zu ihrer Familie ziehen oder hier eine Familie gründen – laut Mikrozensus ist das bei 66 Prozent aller Zugewanderten aus der Türkei der Fall. Bei allen Zugewanderten sind es nur rund 42 Prozent. Dafür kommen Menschen aus der Türkei seltener, um eine Arbeit aufzunehmen (14 im Vergleich zu 19 Prozent).Quelle
Rund 46.000 Personen aus der Türkei erhielten 2024 ein Nationales Visum für Deutschland – 42 Prozent, um zu ihrer Familie zu ziehen, 21 Prozent wollten ein Studium aufnehmen und 28 Prozent einer Erwerbstätigkeit nachgehen.Quelle
Ein Blick in die Geschichte: Die türkische Migration nach Deutschland begann 1961 mit dem "Anwerbeabkommen". Bis zum Anwerbestopp 1973 kamen zahlreiche Arbeitnehmer*innen aus der Türkei. Von allen "Gastarbeiter*innen" waren rund ein Drittel Frauen. Nach dem Anwerbestopp gewann der Familiennachzug an Bedeutung. Rund die Hälfte der türkeistämmigen Menschen, die heute in Deutschland leben, kamen über den Familiennachzug.Quelle
Türkeistämmige in Deutschland: Alter, Sprache, Einkommen
Menschen mit türkischem Migrationshintergrund in Deutschland sind im Durchschnitt 38,1 Jahre alt – und damit jünger als im Bevölkerungsdurschnitt mit 43,9 Jahren.Quelle
Personen mit türkischem Migrationshintergrund haben deutlich seltener einen Schulabschluss als andere Personen mit Migrationshintergrund:
Das liegt vor allem an der Gastarbeitergeneration – viele kamen ohne Abschluss als Arbeiter nach Deutschland. Bei der jüngeren Generation zwischen 25 und 35 Jahren hat fast die Hälfte Abitur oder Fachhochschulreife.Quelle
Sprache
Laut Mikrozensus sprechen 32 Prozent der Personen mit türkischem Migrationshintergrund in ihrer Familie nur oder vorwiegend Deutsch. Über die Hälfte verwendet Deutsch und eine weitere Sprache, 14 Prozent verwenden kein Deutsch. Von denen, die vorwiegend nicht Deutsch sprechen, verwenden 91 Prozent Türkisch und 6 Prozent Kurdisch.Quelle
Sozioökonomische Situation
Erwerbstätige mit türkischem Migrationshintergrund sind – ähnlich wie andere Gruppen – seltener Beamt*innen und deutlich häufiger Arbeiter*innen. Das zeigt sich auch im Einkommen: Der Anteil von Personen mit niedrigem Einkommen ist unter Türkeistämmigen höher, bei Top-Verdienern deutlich geringer.Quelle
Ausländische Beschäftigte mit türkischem Pass arbeiteten 2025 ähnlich häufig als Fachkraft wie deutsche Beschäftigte und häufiger als viele andere Herkunftsgruppen. Im Vergleich zu deutschen Beschäftigten sind sie aber deutlich häufiger in Hilfstätigkeiten beschäftigt (32,8 Prozent im Vergleich zu 12,5 Prozent).Quelle
Im SVR-Integrationsbarometer schätzen Befragte mit türkischem Migrationshintergrund das Integrationsklima mehrheitlich positiv ein, aber schlechter als andere Befragte. Unter anderem sind sie skeptischer, ob man sich auf soziale Beziehungen verlassen kann. Unter Türkeistämmigen bezweifeln besonders viele Personen, ob man für gleiche schulische Leistungen in Deutschland gleich bewertet wird. Zweifel gibt es auch, ob man bei gleicher Qualifikation die gleichen Chancen auf dem Arbeitsmarkt hat: Unter türkeistämmigen Befragten finden das 30,2 Prozent gar nicht – im Vergleich zu 8 Prozent unter Personen ohne Migrationshintergrund.Quelle
Zudem berichten sie häufiger als andere Befragte von Diskriminierungserfahrungen: 2022 gaben 22 Prozent an, in den letzten 5 Jahren aufgrund ihrer Herkunft diskriminiert worden zu sein, unter anderen Herkunftsgruppen sagten das rund 11 Prozent.Quelle
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Wo leben Türkeistämmige in Deutschland?
Durch die Gastarbeitermigration stellen türkische Staatsbürger einen hohen Anteil der ausländischen Bevölkerung in westdeutschen Bundesländern, darunter besonders in NRW, Baden-Württemberg und Hessen, sowie in Großstädten. Die meisten türkischen Staatsangehörigen wohnen in Berlin (116.610), Köln (52.275), Hamburg (45.750) und München (40.100). Der Anteil an der ausländischen Bevölkerung ist mit jeweils rund 27 Prozent in Herne, Miltenberg, Bottrop und Gelsenkirchen am höchsten.
Altersarmut unter Gastarbeitern aus der Türkei
Rentner mit türkischer Staatsangehörigkeit erhalten in Deutschland im Schnitt etwa 352 Euro weniger Rente als Deutsche: 852 Euro im Vergleich zu 1.204 Euro pro Monat Ende 2024, so eine Sonderauswertung der Deutschen Rentenversicherung für den Mediendienst. Besonders betroffen sind Frauen, die über die Hälfte der Rentenempfänger*innen ausmachen. Ihre Rente liegt etwa ein Drittel unter der von deutschen Rentenempfängerinnen (651 Euro im Vergleich zu 1003 Euro). Insgesamt gab es 2024 in Deutschland 344.000 Rentenempfänger mit türkischer Staatsbürgerschaft. Zum großen Teil dürfte es sich dabei um ehemalige Gastarbeiter handeln, es sind aber auch Personen enthalten, die später zum Arbeiten nach Deutschland kamen.Quelle
Viele ehemalige Gastarbeiter beziehen eine niedrige oder auch keine Rente. Deshalb erhalten einige Sozialleistungen im Alter.Quelle
Gastarbeiter sind häufig von Altersarmut betroffen: Laut Mikrozensus 2024 liegt die Armutsgefährdungsquote bei Rentner*innen aus Gastarbeiterstaaten, die selbst zugewandert sind, bei 34,3 Prozent – bei Rentner*innen ohne Migrationshintergrund sind es 16,8 Prozent, bei Rentner*innen mit Migrationshintergrund 31 Prozent.Quelle
Es gibt mehrere Gründe für die niedrigeren Renten der ehemaligen türkischen Gastarbeiter:
- Sie haben im Schnitt weniger als ihre deutschen Kollegen verdient. Zunächst haben viele die niedrigeren Löhne noch durch Überstunden und Zulagen für Schwerstarbeit kompensiert. Später, während der Ölkrise in den 70ern, haben sie aber als Randarbeiter in den Fabriken als erste ihre Jobs verloren.Quelle
- Die Gastarbeiter erhielten keine Sprachkurse, um ihre Deutschkenntnisse zu verbessern. Einige verfügten über keinen Schulabschluss und es gab wenige Weiterbildungsmöglichkeiten. Dadurch waren sie oft in schlechter bezhalten Tätigkeiten angestellt. Eine Rolle spielten auch Diskriminierungserfahrungen bei der Arbeitsplatzsuche.Quelle
- Zudem konnten sie weniger Erwerbsjahre für die Rentenansprüche ansammeln. Das liegt zum einen daran, dass einige schon deutlich älter waren, als sie ihren ersten Job in Deutschland angetreten haben. Zum anderen waren Gastarbeiter*innen stärker vom Abbau von Arbeitsplätzen in den 1970er und 1980er Jahren betroffen und wurden zwischenzeitlich arbeitslos. Viele übten körperlich schwere Arbeit aus und sind dadurch in Frührente gegangen. All das wirkt sich heute auch auf ihr Rentenniveau aus.Quelle
- Eine Rolle spielt dabei auch Immobilienbesitz: Rentner*innen mit Migrationshintergrund verfügen deutlich seltener über ein Eigenheim. Sie müssen deshalb im Schnitt mehr für die Miete ausgeben.Quelle
Viele ehemalige Gastarbeiter sind in ihre Herkunftsländer zurückgekehrt oder pendeln zwischen dem Herkunftsland und Deutschland. Eine Rolle können einer Studie zufolge die niedrigeren Lebenshaltungskosten in der Türkei spielen.Quelle
Mit dem neuen Staatsangehörigkeitsgesetz, das 2024 in Kraft trat, können sich ehemalige Gastarbeiter leichter einbürgern lassen. Sie müssen keine schriftlichen Sprachnachweise mehr auf B1-Niveau erbringen, sondern es reicht aus, sich mündlich "ohne nennenswerte Probleme im Alltagsleben" auf Deutsch verständigen zu können. Damit soll ihre Lebensleistung gewürdigt und berücksichtigt werden, dass sie damals keine Sprachkurse erhielten. Auch die Verpflichtung zu einem Einbürgerungstest entfällt.Quelle
Politische Einstellungen Türkeistämmiger
Von den 7,1 Millionen Wahlberechtigten mit Einwanderungsgeschichte hatten bei der Bundestagswahl 2025 laut Statistischem Bundesamt rund eine Million Personen eine Einwanderungsgeschichte aus der Türkei.Quelle
Welche Parteien wählen Menschen mit türkischer Migrationsgeschichte?
Politische Präferenzen sind wie in anderen Gruppen sehr heterogen. Menschen mit Migrationsgeschichte in der Türkei haben lange traditionell die SPD gewählt, unter anderem wegen der politischen Sozialisation über die Gewerkschaften. Die Zustimmung bröckelt seit mehreren Jahren, wie Umfragen der Konrad-Adenauer-Stiftung (2025) sowie eine Analyse des DIW 2021 zeigt. Die Zustimmung zur CDU und vor allem auch kleineren Parteien nimmt zu.Quelle
Dennoch hat die SPD im Vergleich zu anderen Parteien bei den Türkeistämmigen immer noch das größte Wählerpotential. Das zeigen zwei Befragungen vor und kurz nach der Bundestagswahl 2025. Ein vergleichsweise hohes Wählerpotential hat in der Gruppe zudem die Linke und das BSW, geringer ist die Sympathie mit AfD, CDU und Grünen, auch die Zustimmung zur FDP ist vergleichsweise niedrig. Das ergaben auch die Umfragen der Konrad-Adenauer-Stiftung (2025).Quelle
Die hohe Zustimmung zur SPD zeigte sich auch bei zwei Befragungen, die Forscher*innen nach den Bundestagswahlen 2017 und 2021 durchgeführt haben.
Welche Themen sind wichtig?
Eine Befragung des DeZIM 2023/2024 zeigt: Die wirtschaftliche Situation und die Inflation werden unter allen Befragten derzeit als wichtigste Probleme benannt. Der soziale Zusammenhalt und Rechtsextremismus bereiten Wahlberechtigten aus der Türkei und MENA-Region vergleichsweise viele Sorgen. Eine Nachwahlbefragung zeigt zudem: Das Thema "Umwelt und Klimaschutz" ist ihnen weniger wichtig als anderen Gruppen.Quelle
Im Vergleich zu anderen Gruppen stellen Befragungen immer wieder eine besonders niedrige Wahlbeteiligung unter Türkeistämmigen fest. Auch das Interesse an der Bundestagswahl 2025 war unter Personen mit Bezug zur Türkei und der MENA-Region in einer Befragung am niedrigsten. Fehlende Zugehörigkeit, aber auch weniger Vertrauen in politische Systeme, mangelnde Informationen über die Politik oder auch Diskriminierungserfahrungen können dabei eine Rolle spielen: Wenn man sich willkommener und zugehöriger fühlt, geht man eher wählen. Die Studie des DeZIM zeigt, dass Menschen mit Migrationshintergrund seltener glauben, dass politische Parteien aktuelle Probleme lösen können.Quelle
Immer wieder gründen sich Parteien, die sich explizit an die türkische Community richten. Zuletzt 2024 die Partei DAVA, sie trat bei der Europawahl 2024 an und erhielt 0,4 Prozent der Stimmen, bei der Bundestagswahl 2025 wurde sie formal zugelassen, trat aber nicht an. Zudem gibt es seit 2010 die BIG Partei, die als deutscher Ableger der AKP gilt, und vor allem auf regionaler Ebene aktiv ist.Quelle
Wahlen in der Türkei 2023: Abstimmungsverhalten in Deutschland
Am 14. Mai 2023 fanden in der Türkei Parlaments- und Präsidentschaftswahlen statt. Am 28. Mai gab es eine Stichwahl für die Präsidentschaft, bei der sich der regierende Präsident Recep Tayyip Erdoğan mit rund 52,2 Prozent der Wähler*innenstimmen durchgesetzt hat. Auch im Parlament hält die Regierungskoalition unter Vorsitz der AKP trotz Verlusten eine Mehrheit.
Rund die Hälfte der insgesamt etwa drei Millionen "Auslandstürk*innen", die an den Türkei-Wahlen teilnehmen konnten, lebte in Deutschland. Nach Angaben der türkischen Wahlkommission waren hierzulande 1.501.152 Personen zur ersten Wahlrunde zugelassen.Quelle
An der Stichwahl für die Präsidentschaft haben in Deutschland rund 49,7 Prozent der etwa 1,5 Millionen Wahlberechtigten teilgenommen. Wie bereits in der ersten Wahlrunde hat eine deutliche Mehrheit der Wähler*innen in Deutschland für den regierenden Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan gestimmt:
- Recep Tayyip Erdoğan (AKP): 67,4 Prozent,
- Kemal Kılıçdaroğlu (CHP): 32,6 Prozent.
Wie bei der Parlamentswahl gab es bei der Stichwahl starke Unterschiede zwischen den verschiedenen Wahlbezirken: In Essen haben knapp 79 Prozent der Wähler*innen für den regierenden Präsidenten gestimmt. In Berlin waren es rund 51 Prozent.
Bereits bei den vergangenen Wahlen stimmten Wähler*innen in Deutschland deutlich konservativer ab als in der Türkei:
Die Parlamentsergebnisse zeigen jedoch: Auch in Deutschland verliert die AKP Stimmen. Es gibt jedoch regionale Unterschiede:
Wissenschaftler*innen sehen die Ursache darin, dass die türkeistämmige Bevölkerung und ihre verschiedenen Communities in Deutschland regional unterschiedlich vertreten sind. Im Ruhrgebiet gebe es etwa ein konservatives Milieu, das geprägt sei von Personen, die im Zuge der Gastarbeiterregelung in den 1960er und 1970er Jahren eingewandert sind. In anderen Regionen (zum Beispiel in Berlin) gebe es hingegen progressive und kurdische Milieus, denen Personen angehören, die seit den 1990er Jahren wegen Krieg und politischer Verfolgung nach Deutschland gekommen sind.Quelle
Weitere Zahlen zur Wahl hier
Interview mit der Soziologin Sinem Adar zu Bedeutung der Wahl für die türkische Community in Deutschland LINK